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Der Nationaldirektor von Syrien Rani Rahmo in Damaskus
„Nimm die Kamera runter, wir kommen zum letzten Checkpoint der Regierung. Die andere Seite ist von Oppositionstruppen besetzt. In der Mitte, auf dem Hügel dazwischen, ist das Kinderdorf“, erklärt mir Rani, der syrische SOS-Direktor. Als er meinen beunruhigten Gesichtsausdruck bemerkt, fügt er hinzu: „No worries, die letzten schweren Kämpfe hier waren vor einem Jahr. Aber da kam die Opposition bis dort.“ Rani deutet auf das dem Kinderdorf am nächsten liegende hohe Gebäude 100 Meter Luftlinie entfernt. Dort waren Scharfschützen.
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SOS-Kinderdorf in Damaskus liegt zwischen dem Checkpoint der Regierung und den Oppositionstruppen.
So richtig wohl fühle ich mich an meinem heutigen Übernachtungsort nicht. Doch wenn die Kinder es hier täglich aushalten, werde ich wohl gerade mal eine Nacht überstehen, denke ich, während ich misstrauisch die vermeintlichen Scharfschützenstellungen auf der anderen Seite betrachte. Vor mir toben die Kinder die Straße im Dorf entlang. Sie geben ein einfaches Ziel ab.
Scharfschützen nutzen Kinder immer wieder als leichte Zielscheibe
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Die 14-Jährige Sidar aus Aleppo erklärt was zu tun ist bevor eine Rakete einschlägt
„Wenn Du ein rotes grelles Licht am Himmel siehst, schließe Augen und Ohren, öffne den Mund und werfe dich sofort auf den Boden.“ Diese Instruktion an mich kommt nicht etwa von einem Sicherheitsbeauftragten, sondern von einem 14 jährigen Mädchen, deren Familie ich am Abend im Kinderdorf besuche. Bevor Raketen einschlagen, sieht man ein grelles Licht am Himmel, erfahre ich. Ich habe heute schon so viele furchtbare Geschichten gehört, dass ich mich nicht einmal mehr wundere, warum eine 14-Jährige so etwas weiß. „In Aleppo musste ich das oft machen“, sagt sie. Das Leben in Damaskus sei dagegen ein Kinderspiel. Mir reicht schon dieses Kinderspiel.
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"Irgendwann habe ich angefangen, die Toten nach Geld zu durchsuchen", berichtet der Junge (im Hintergrund). Seine Oma kann die Tränen nicht zurück halten.
Der Abend wird eine Aneinanderreihung von weiteren Kriegsgeschichten. „Plötzlich wurde es taghell“, erinnert sich Kinderdorfmutter Fatma. „Es war erst 2h in der Früh. Wir alle rannten nur noch in die hinteren Häuser, öffneten die Fenster, löschten das Licht und warfen uns auf den Boden in der Mitte des Raumes. Alle haben geschrien. Ich erinnere mich noch daran, dass ich dachte: „Was passiert mit den Kindern, wenn ich sterbe?“ „Die Geräusche, als sie sich über unsere Köpfe hinweg bekämpften, waren schrecklich.“
Traumatische Erlebnisse rufen oft Panikattacken hervor
Vor dem Krieg hatten die Kinder mit sozialen Problemen zu kämpfen, erfahre ich von Fatma. Heute mit schweren Traumata. Die 7-jährige Laila beginnt jedes Mal zu schreien, wenn der Strom ausfällt. Dann suchen sie die Flashbacks heim. Dann erinnert sich die Kleine an die zerstörten Häuser in Aleppo nach den Raketen-Angriffen.
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SOS-Kinderdorf Mutter Fatma musste mit den Kindern aus Aleppo fliehen
Aus Aleppo floh Fatma mit den Kindern vor gut einem Jahr. Das Dorf wurde evakuiert. Als sie nach Damaskus kamen, dachten sie daran, nach kurzer Zeit wieder heimkehren zu können. Eine Woche später ging eine Chemiebombe auf das Kinderdorf nieder. Ein Zurück gab es nicht mehr. Heute nutzen Kampftruppen das Dorf als Ausbildungsstätte für ihre Kämpfer.
„Die erste Zeit in Damaskus war hart. Alle Häuser mussten doppelt belegt werden. Oft wohnten 20 Menschen in einem Haus. Die Kinder waren nach den Kämpfen in Aleppo und der Evakuierung traumatisiert. Ich habe für jedes meiner Kinder von dem Psychologen quasi eine Gebrauchsanleitung bekommen, wie ich mit ihren Traumata umgehen muss. Der Krieg verlangt von uns allen viel ab“, sagt Fatma.
Ich höre ihren Ausführungen schweigend zu. Betrachte die Fenster mit dem Anti-blast-Film, der vorsorglich gegen Splitterbildung der Glasscheiben angebracht wurde. Dann verabschiede ich mich von der Familie. Als ich aus der Tür trete, höre ich die Bomben wie ein entferntes Donnergrollen. Ich rufe mir die erhaltenen Instruktionen noch einmal ins Gedächtnis: Augen und Ohren schließen, Mund öffnen, und hinwerfen. Dann gehe ich schlafen.
Der Beitrag Raketen im SOS-Kinderdorf erschien zuerst auf SOS aus aller Welt.