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Damaskus – Ein Tag Hölle und zurück

„Auf dem Weg zu meiner Oma in Aleppo überquerten mein Vater und ich eine Straße und da waren überall ausgebrannte Autos und tote Menschen …“ (Fatma, 13). „Es gab eine Explosion. Danach herrschte nur noch Chaos. Mein Vater, mein Bruder und ich rannten zusammen mit vielen anderen Leuten weg. Wir versuchten Deckung vor den Angriffen zu finden. In dem Chaos wurden wir getrennt. Unser Vater ist seit dem verschwunden. Ich weiß nicht, ob er noch lebt …“ (Mohamad, 12)

Als ich die Grenze zum aktuellen Krisenherd Nr. 1 überquere, bin ich überrascht. Die lange gerade Straße, die direkt in Syriens Hauptstadt Damaskus führt, ist ruhig. Keine Panzer, keine Truppenbewegungen. Einzig die in engen Abständen gesetzten Checkpoints von Assads Truppen und die Erzählungen meiner Kollegen sagen mir, dass hier alles herrscht, aber sicher keine Normalität.

"You'll be fine", sagen meine Kollegen in Damaskus

„A rocket exploded yesterday 30 metres away from our office in the centre. We had a staff meeting at that moment. A few metres closer and SOS-Syria would have been history.“ Meine Kollegen lachen, während sie mir das auf dem Weg in die SOS-Notunterkunft für Flüchtlingskinder erzählen. „But don't worry, Katharina, you will be fine.“ Für sie ist das alles längst Alltag. Ich vertraue ihnen, begreife aber im gleichen Moment, dass hier nichts berechenbar ist. In einem Moment fühlst du dich sicher, im nächsten kannst du tot sein. Angst verspüre ich seltsamerweise nicht.

Wir fahren durch Damaskus' pompöse Villenviertel, die überwiegend von Ministern bewohnt werden. Eigenartigerweise sind sie völlig intakt, die Gegend ist sicher. Ein Glück für uns. Denn einer dieser Paläste dient den SOS Kinderdörfern als Notunterkunft für jene Kinder, denen der Krieg die Unbeschwertheit, Naivität und die Eltern genommen hat. Es sind diese Kinder, die mir an nur einem Nachmittag so viele Geschichten von Tod und Leid erzählen, dass ich es anfangs nicht glauben will und zum Schluss nicht mehr zuhören kann.

Was macht der Hass mit einer Kinderseele?

Die Psychologen berichten von den schweren Traumata der Kinder, ausgelöst durch Bomben, Raketen und puren Hass. Von Aggressivität, Vertrauensverlust, Panikattacken, Albträumen, Erinnerungsverlust. Sie sprechen von einer verlorenen Generation von Kindern. „The war turns them into monsters“, sagt mir unsere Psychologin Khawla. Ihre deutlichen Worte irritieren mich, denn ich kann sie nicht mit den Kindern überein bringen, die vor mir spielen, malen und lachen. Als ich später mit dem 14-jährigen Wasim rede, bekomme ich eine Ahnung davon, was Khawla meint.

„Ich habe gesehen wie ein Scharfschütze in meiner Heimat Arouta einen dreijährigen Jungen erschoss. Zusammen mit meinem Onkel und Nachbarn gingen wir auf seine Beerdigung. Dann fielen Schüsse. Viele Schüsse. Die Menschen um mich herum stürzten zu Boden, unter ihnen viele Frauen und Kinder. Mein Onkel starb. Es war nicht einmal Zeit, sich um die Toten und Verletzten zu kümmern. Wir rannten nur noch um unser Leben. Jemand rannte mit uns, ein getroffenes Kind auf dem Arm tragend. Das war der Moment, in dem meine Heimat zu einem Ort von Tod und Hass für mich wurde. Der Tag, an dem ich beschloss, Rache für den Tod des Jungen nehmen zu wollen.“

Mir wird kalt

Wasim ist kein Monster. In vielen Gesprächen mit Psychologen wird ihm geholfen, seine Seele zu heilen. Aber was ist mit all den Kindern, denen nicht geholfen wird ins Leben zurück zu finden? Wie sollen sie mit ihren Erlebnissen und Gefühlen klarkommen?

Ich frage mich an diesem Tag in Damaskus eigentlich nur noch eines: Welches Kriegsziel könnte es rechtfertigen, dass man so etwas seinen Kindern antut? Nicht die Kinder sind hier die Monster. Die, die Krieg führen, sind es.

Der Beitrag Damaskus – Ein Tag Hölle und zurück erschien zuerst auf SOS aus aller Welt.


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